mobile Navigation

Stadtratskolumne

Daniel Leupi

Spiel im Morgengrauen

Ein nüchterner Theaterraum ohne jeden Zierrat. Vielleicht 50 Sitzplätze, einfache Stühle nebeneinander gestellt. Auch auf der Bühne steht nur ein Stuhl, sonst nichts. Anders gesagt: Nichts lenkt in diesem Theater vom Wesentlichen ab, vom Stück und seiner Darbietung.

Auch der Werbeflyer war ganz in diesem Stil – schlicht mit der Titelseite eines Reclam-He es kündigte das Theater Sogar im Kreis 5 die Aufführung von Arthur Schnitzlers «Spiel im Morgengrauen» an. Nachdem ich im letzten Sommer erstmals ein Stück Schnitzlers gesehen hatte, konnte ich Frau und Kinder – Teenager, die selber Theater spielen – motivieren, sich das Stück anzuschauen.

Das Licht geht aus – und mit dem Strahl eines Spots auf die Bühne wieder an. Der Schauspieler Christian Dolezal, so um die vierzig, steht im Scheinwerferlicht – und zieht uns sogleich in den Bann. Er erzählt die Geschichte des Leutnants Wilhelm Kasda im Österreich Anfang des 20. Jahrhunderts. Es geht um Spiel und Schulden, Kameradscha und Ehre, vordergründig – und hintergründig um Liebeleien und verletzte Gefühle, Hoffnungen und tiefste Verzweiflung.

70 Minuten lang fesselt uns der Schauspieler mit seinem Spiel, der grossartigen Modulation seiner Stimme, seiner gezielt eingesetzten Gestik. Selbst die Teenager, für die Sprache und Moral der Gesellscha zu Schnitzlers Zeit eine vergangene Welt ist, sind ganz fasziniert. Unisono erklären sie, dass sie nicht eine Sekunde den Blick vom Schauspieler gewandt hätten, so toll hätten sie es gefunden. Und das will etwas heissen! Grandios, wie ein einzelner die Zuhörenden und Zuschauenden packen und in eine andere Welt (ent)führen kann. Das Spiel auf der Bühne hat – trotz den neuen Medien – nichts von seiner Faszination verloren.

zurück zu Stadtratskolumne

Artikel bewerten

Leserkommentare

Keine Kommentare

Für diesen Eintrag werden keine Kommentare mehr angenommen