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Stadtratskolumne

Raphael Golta

Vom Sinn der Besinnlichkeit

Ab Heiligabend fühlt sich Zürich jeweils ungewohnt an. Da und dort wirkt die Stadt wie ausgestorben. Manch eine vermeintlich waschechte Zürcherin reist über die Festtage zu den Eltern aufs Land. Eingefleischte Städter, die unter dem Jahr kaum je die Grenze zur Agglomeration überschreiten, finden sich plötzlich in ihren Heimatdörfern wieder. Aus dem Ausland Zugezogene zieht es für einige Tage zurück. Wer schon Kinder hat, den erwarten deren stolze Grosseltern – vielleicht in Graubünden, in Norddeutschland, in Amerika.
Die Hiergebliebenen treffen ein erstaunlich ruhiges Stadtleben an. Zumindest bis zum Beginn des Ausverkaufs und der Vorbereitungen auf Silvester. Spaziergänge mit der Familie, Geselligkeit unter Freunden, zwei Tage Ruhe vor dem nächsten Fest.

Es gibt auch Menschen, die ihre Kerze an Heiligabend allein anzünden. Menschen, denen niemand selbst gebackene Guetsli vor die Türe stellt. Die nicht zu zehnt am Tisch sitzen, und eines der unzähligen Fondues chinoises geniessen. Doch auch sie haben ein Anrecht darauf, Weihnachten in einer Gemeinschaft zu verbringen.

In Zürich muss niemand über die Feiertage allein sein. Das ist vielen engagierten Leuten in sozialen Einrichtungen zu verdanken. Sie bieten denen ein Fest, die zu keinem eingeladen sind. In der Bahnhofkirche gibt es Suppe, die Heilsarmee feiert mit einem Musical und einem Brunch, die Helferei zeigt Stummfilme. Und ich kann mir vorstellen, dass es beim Weihnachtsessen in der Missione Cattolica geselliger zugeht als an so manchem Familientisch.
All diese Angebote und mehr sind auf einem Flyer zusammengefasst, den meine Mitarbeitenden jedes Jahr erstellen. Wenn ich ihn mir so anschaue, spüre ich einmal mehr, worum es bei Weihnachten im Grunde geht: Darum, eine Gemeinschaft zu sein.

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