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Stadtratskolumne

Gerold Lauber

Wir sind keine Insel

Kürzlich las ich im Schreibheft eines Erstklässlers etwas Einleuchtendes: «Eine Insel ist immer im Wasser.» Aha. Die Schweiz ist demnach keine Insel, das dünne Band des Rheins und etwas Boden- und Genfersee reichen wohl nicht zum Inseldasein. Trotzdem: Vor einem Jahr hat sich eine hauchdünne Mehrheit des abstimmenden Volkes bei der Einwanderungsinitiative für die Schweiz als Insel ausgesprochen. Dieser Entscheid stellt unser Land vor nicht lösbare Probleme.


Einige wollten wohl «ein Zeichen setzen» gegen immer mehr ihnen fremde Menschen, Konkurrenten auch, andere folgten dem Fähnlein der Aufrechten, mit ihren Inseraten von Messerstechern, Stiefeln und Apfelbäumen, deren Wurzeln die Schweiz erdrosseln und zermalmen. Eine neue Wortkombination wurde geprägt: Dichtestress. Für die Initiative sprachen sich vor allem Menschen aus, die dieses Stressgefühl nicht kennen können; aus dünn besiedelten Land- und Bergkantonen, Menschen in den Agglomerationen. Mit über 66% klar gegen die Initiative fiel das Ergebnis in der «dichten» Stadt Zürich aus.


Mein Mantra war über Monate: Wachstumstrend und Attraktivität könnten schneller kippen, als uns lieb ist; die 90er-Jahre sind in schlechter Erinnerung. Dann kam der Entscheid der Nationalbank. Sie kappte das Band zwischen Euro und Franken. Über Nacht haben wir nun ganz andere Sorgen: Unser Land droht an Attraktivität zu verlieren, Firmen denken an Wegzug, Ferienreservationen werden annulliert, Schweizer reisen ins nahe Ausland zum Einkaufen, und die benötigten Arbeitskräfte bleiben fern. Die Auguren sagen eine Rezession voraus.


Diese muss nicht Realität werden. Die Schweiz kann auch diese Herausforderungen meistern. Gefragt aber sind Offenheit der Menschen und Offenheit der Grenzen. Von dieser Offenheit profitieren wir im Herzen Europas nachweislich seit über zehn Jahren. Die Schweiz ist keine Insel.

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