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Stadtratskolumne

Wir wohnen auch in Zürich

Von: Andres Türler

Darf ich mich vorstellen? «Myotis daubentonii» heisst meine Gattung, Wasserfledermaus im Volksmund. Ich bin ein Säugetier und kann fliegen, aber ein Vogel bin ich nicht. Meine Spezialität: Ich orientiere mich mittels Ultraschall, anhand der Echos meiner Laute fange ich auch meine Beutetiere – das sind vor allem Wasserinsekten. Ich wohne mit meiner über hundertköpfigen Sippe unter dem Rathaus und der Gemüsebrücke in der Altstadt.

Das wussten bis jetzt nur Eingeweihte, daher hat mir Stadtrat Andres Türler als grosser Fan unserer Art diese Kolumne zur Verfügung gestellt. Anfang Juli munkelten Passanten auf der Brücke, dass unser Zufluchtsort in rund fünf Jahren abgerissen und neu gebaut werden soll, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten.

Und vor einigen Wochen war plötzlich eine grosse Unruhe im Quartier. Einige Menschen in einem Weidling steuerten ganz nah an unsere Ritzen und Spalten unter der Brücke heran. Sie leuchteten mit Taschenlampen hinein und zählten uns. Wir haben uns natürlich sofort versteckt, aber ein paar Schnappschüsse sind ihnen doch gelungen.

Dank unserem feinen Gehör erfuhren wir, dass es sich um eine Expedition der Stiftung Fledermausschutz handelte. Den Weidling steuerten zwei Fahrer des Limmatclubs; die kennen wir natürlich gut. Jetzt sind wir einigermassen beruhigt, denn die Stiftung wird uns Quartierbewohnerinnen bei der Planung der neuen Brücke vertreten.

Damit unsere Nachkommen auch nach dem Abbruch der Brücke Unterschlupf am Limmatufer finden, soll Ersatz für die heutigen Verstecke geschaffen werden. Denn wir gehören genauso zur Stadtbevölkerung wie Sie. Wir stehen sogar unter Schutz. Kommen Sie doch an einem warmen Herbsttag einmal vorbei, idealerweise in der Dämmerung. Dann können Sie unsere Flugkünste bewundern.

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