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Es werde kein Licht
Von: Matthias Ackeret
Kurz gesagt
«Üetliberg hell», stand früher auf den Zürcher Trams. Eine unerlässliche Information für Stadtmenschen unter der Nebeldecke. «Zürich dunkel» braucht niemand zu schreiben, dies ist zu nächtlicher Stunde unübersehbar. Seit über einem Monat werden die öffentlichen Gebäude Zürichs nicht mehr beleuchtet; als direkte Folge des Ukrainekriegs. Wie viel Strom dadurch gespart wird, ist offen, die symbolische Wirkung hingegen ist da.
Bemerkenswert, dass durch die kleine Massnahme die Stadt ein anderes Bild bekommt. So leistet das Grossmünster neu eine Referenz an seinen berühmtesten Pfarrer und gibt sich zwinglianisch zurückhaltend. Blickt man von Westen Richtung Stadt, so starrt man in ein schwarzes Loch. Der rote Schriftzug auf dem Migros-Hochhaus ist ausgeblendet, die Silhouetten von ETH und Universität von der Nacht verschluckt. In normaleren Zeiten vermittelte gerade deren Kuppel Weltstadtatmosphäre: Kniff man die Augen zusammen, nahm man entweder das Kapitol in Washington oder den Petersdom wahr.
Ein Schnelltest im Internet zeigt, dass Zürich mit dieser Radikal-Massnahme Weltspitze ist. So sieht man auf den internationalen Webcams immer noch ein illuminiertes Brandenburger Tor, einen leuchtenden Eiffelturm oder ein strahlendes Weisses Haus. Nur die Webcams, die den Kreml zeigen, sind ausgeschaltet. Was beweist, dass Zürich pflichtbewusster ist als der Rest der Welt. Winterthur wird später seine Lichter abstellen, Bern plant auf dem Bundeshaus sogar eine Lichtshow, die – so die quere Argumentation – weniger Strom benötige als die normale Beleuchtung.
«Es werde Licht», forderte der liebe Gott am Anfang der Bibel. Gegen den Zürcher Stadtrat hat er damit momentan keine Chance.
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