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Gut zu wissen

Amy Bollags Zeitskizzen

15. Januar 2014

Der 90-jährige Zürcher Amy Bollag erinnert sich, wie sein Weltbild als Schüler ins Wanken geriet.

Als Erstklässler, 1931, machte mir ein Bild im Schulzimmer einen starken Eindruck. Es stellte Wilhelm Tell in eindrücklicher Pose dar. Zu Hause holte ich mir die Auskünfte, was über die Heldengestalt zu berichten wäre. Vater selig, ein echter Patriot, war über mein Interesse hoch erfreut. Bald wusste ich alle Einzelheiten über unseren Nationalhelden. Die Schulstunden mit dem Gemälde an der Wand waren eine echte Freude für mich. Eigentlich spielte Tell für mich die Rolle eines Heiligen oder mindestens eines Beschützers.

Mir fiel aber auf, dass mit dem Namen etwas nicht stimmen konnte. Einen Willi gab es in unserer Klasse, Wilfried und Willibald waren mir auch schon zu Ohren gekommen. Aber weit und breit gab es keinen Wilhelm. Doch eines Tages, wir waren zum ersten Mal bei einem guten Bekannten des Vaters eingeladen, änderte sich mein Weltbild: Ein zweiter Wilhelm sollte bald auftauchen. Der Bekannte war ein solider Deutscher. Mir fiel ein prächtiges Gemälde auf. Wen dieser prächtige Krieger darstellen solle, erlaubte ich mir zu fragen. Erfreut über meinen Wissensdurst gab mir Herr Breuer bereitwilligst Auskunft. Das sei der deutsche Kaiser und «Kriegsherr», Wilhelm II. Er hätte nach der deutschen Niederlage im Weltkrieg abdanken müssen und lebe jetzt im Exil.

Auf meine Frage, warum der Kaiser den gleichen Namen wie unser Tell hätte, gab er lächelnd zur Antwort, wir Schweizer seien eigentlich Deutsche, und deswegen käme Tell zu seinem deutschen Namen. Herr Breuer musste bemerkt haben, dass ich ihn entgeistert anstarrte und meinte tröstend, ohne den Deutschen Schiller hätten wir gar keinen Nationalhelden.  

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