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Interview

BILD: NICOLAS Y. AEBI

Bartholdi: "Ich will Präsident für alle sein"

Von: Isabella Seemann

10. Mai 2016

Zum Auftakt des neuen Politjahrs wählt heute das Stadtparlament voraussichtlich einen SVP-Politiker zum höchsten Stadtzürcher. Roger Bartholdi (47) wird auf dem «Bock» während eines Jahres die Geschicke des Rats lenken. Der Bankangestellte politisiert seit 14 Jahren für die SVP im Gemeinderat, wo er den Kreis 9 vertritt.

Herr Bartholdi, 2013 wurden Sie in den Kantonsrat gewählt, den Sie nach einem Jahr wieder verliessen. Weshalb haben Sie sich entschieden, nur im Gemeinderat zu politisieren?
Roger Bartholdi: Bei jenen Kantonsratswahlen bin ich als Siebtplatzierter ganz unverhofft durch Vorrücken auf der SVP-Liste und Mutationen nachgerutscht. Als sich abzeichnete, dass ich im Gemeinderat zum 2. Vize des Gemeinderatspräsidenten gewählt werden könnte, musste ich mich entscheiden. Auf diesem Posten wäre ein Doppelmandat tabu. Ins Präsidium des Gemeinderats gewählt zu werden, ist eine Würde und Herausforderung, der ich den Vorzug gab

Wird im Kantons- und Gemeinderat unterschiedlich politisiert?
Bartholdi: Im Gemeinderat geht es viel lebhafter zu und her, man spricht Mundart, die Debatten werden auch öfters emotioneller und reger geführt, was auch den Abendsitzungen nach einem langen Arbeitstag geschuldet sein mag oder einem Umtrunk in der Pause bei längeren Sitzungen, die bis Mitternacht dauern. Die Konzentration der Stadtparlamentarier wird dann strapaziert. Die Sitzungen des Kantonsrats wiederum sind, auch weil sie am Montagmorgen stattfinden, prozessorientierter und strukturierter. Der Kantonsrat nimmt viele wichtige Aufgaben wahr, doch ist er durch die Vorgaben von Bern zunehmend stärker in seiner Autonomie eingeschränkt. Ausserdem hat es viele, die auch in der Gemeinde-Exekutive sind, welche ihre Gemeindeautonomie nicht einschränken wollen.

Was fasziniert Sie an der Gemeindepolitik, dass Sie das nun schon seit 14 Jahren auf sich nehmen? Bartholdi: Sie ist bürgernah, agil, zeitnah und bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen, Probleme zu lösen und die Stadt mitzugestalten, vom Veloweg über den Schulhausbau bis zur Parkplatzgebühr. Viele Themen der Lokalpolitik bewegen die Menschen und umgekehrt nehmen wir im Gemeinderat auf, was die Bürger bewegt. Lokalpolitik ist manchmal mühsam und anstrengend, aber man kann mit der Zeit viel erreichen. Man sollte sie nicht geringschätzen. Ich erlebe die Zürcher Parlamentarier als sehr eifrig, ernsthaft und engagiert. Und selbst nach harten Debatten ist es möglich, mit den politischen Gegnern gleichwohl noch ein Bier zu trinken.

Mit 18 Jahren traten Sie der Autopartei bei, später wechselten Sie zur SVP. In welchem SVP-Flügel positionieren Sie sich?
Bartholdi: Eine Positionierung hilft nicht beim Problemlösen. Ein Beispiel: Verkehrspolitik ist eines meiner Kernanliegen. Jeder Mensch will mobil sein und kein Verkehrsteilnehmer soll gegen den anderen ausgespielt werden. Ich fahre täglich mit dem Velo zur Arbeit oder zum Bahnhof für eine Sitzung in Bern. Doch die Mischnutzung von Velos und Fussgängern auf Trottoirs halte ich für unsinnig, denn die meisten Velofahrer haben das Bedürfnis zügig und sicher von A nach B zu kommen, aber auf dem Trottoir ist dies nicht möglich und gefährdet zudem die Fussgänger. Ein ideologischer «Klassenkampf» bringt uns nicht weiter.

Was treibt Sie an, sich politisch zu engagieren?
Bartholdi: Angefangen hat es mit den absurden Forderungen und der Ruf nach Verboten und Einschränkungen der Umweltschützer in den 1980er Jahren, wie Tempo 80 auf Autobahnen. Deshalb habe ich mich in der Politik engagiert. Heute motivieren mich alltägliche Ereignisse weiterzumachen, wie beispielsweise die vernunftfreie Forderung auf Hauptstrassen Tempo 30 einzuführen. </interview>

Beruflich sind Sie Bankangestellter, im Präsidium der Arbeitnehmervertretung der UBS und Präsident des Zürcher Bankpersonalverbandes. Sind Sie quasi ein Gewerkschafter?
Bartholdi:. Der Bankpersonalverband versteht sich nicht als Gewerkschaft, ist aber Mitglied des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB und vertritt die Anliegen der Bankangestellten. Ausserdem bin ich in der Gemeinderätlichen Interessengruppe Gewerkschaften. Auch hier gibt es viele Fragestellungen, die nichts mit Links und Rechts zu tun haben. Es geht darum eine Balance zu gewährleisten, wie man sich für die Angestellten einsetzen kann, ohne den Unternehmen zu schaden.

Wie möchten Sie als SVP-Gemeinderatspräsident dieses Amt prägen?
Bartholdi: Ich will Präsident für alle sein. Und das gute Abschneiden bei den Wahlen fürs 2. und 1. Vizepräsidium, deutet darauf hin, dass die Leute mir das zutrauen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, den Sitzungen ohne Kopfhörer zu folgen, und dafür muss ich durchsetzen, dass man sich im Ratssaal gegenseitig versteht.

Welche Entwicklungen in Zürich bereiten Ihnen Sorge?
Bartholdi: Bis 2030 zählt die Stadt Zürich voraussichtlich gegen 500 000 Einwohner. Das ist per se weder gut, noch schlecht. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, wie wir dieses Bevölkerungswachstum bewältigen, ohne dass die Lebensqualität darunter leidet. Wir müssen die Infrastruktur dafür bereitzustellen, und kommen jetzt schon kaum nach, Schulraum für die wachsende Kinderzahl zu erstellen. Einerseits sollen mehr Wohnungen her, andererseits will man keine Hochhäuser, zumindest nicht vor der eigenen Nase. Man will mehr Grünflächen, aber der Verkehr benötigt ebenfalls mehr Kapazitäten. Es wird immer schwieriger, alles unter einen Hut zu bringen.

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg in der Politik?
Bartholdi: Ich habe nie davon geträumt, Politiker zu werden oder gar Gemeinderatspräsident. Ein Erfolg ist deshalb für mich persönlich, dass ich Schritt für Schritt, mit Konsequenz und Hartnäckigkeit, aber auch mit Kollegialität und Kooperation kontinuierlich meine politische Arbeit fortführen konnte. Nach jeder bewältigten Aufgabe haben sich neue Türen geöffnet. </interview>

Welches ist Ihre schmerzlichste politische Niederlage?
Bartholdi: Als Niederlage im Gemeinderat empfinde ich, wenn der bürgerliche Block mit 63 der insgesamt 125 Sitze, also einer knappen Mehrheit, nicht geschlossen zusammen steht, respektive nicht vollständig präsent ist und deshalb Abstimmungen im Gemeinderat verliert. Die Bevölkerung hat knapp mehrheitlich bürgerlich gewählt und die Resultate müssten den Volkswillen widerspiegeln. </interview>

In Ihrer Freizeit treiben Sie Triathlon und Ultraläufe. Was trägt Sie ins Ziel?
Bartholdi: Lauter kleine Ziele: Bis zum nächsten Verpflegungsposten, bis zur Bergspitze oder zur nächsten Ortschaft. Jede Etappe sehe ich in einem neuen, positiven Licht: Jetzt geht’s bergauf, super, da kann ich Tempo rausnehmen. Oder jetzt geht’s runter, toll, da kann ich laufenlassen. Nicht zuletzt trägt mich die Atmosphäre beim Rennen, die Landschaft, die Gemeinschaft mit den anderen Athleten ins Ziel.

Was lernen Sie vom Sport, das Sie in der Politik anwenden können?
Bartholdi: Zwei Dinge: Ausdauernde Leistung braucht zwingend auch Erholung. Man kann keine gute Leistung erbringen, wenn man andauernd im roten Bereich läuft. Am besten schalte ich denn auch ab bei gemütlichen Spaziergängen mit meiner Frau und unserem Hund, einem Landseer, in der Natur. Und ich profitiere auch in der Politik von der Ausdauer und dem Durchhaltevermögen, die ich beim Sport gelernt und trainiert habe.</interview>

Apéro für die Bevölkerung Mittwoch, 11, Mai ab 17.45 Uhr in Albisrieden, Tramendstation 3, beim Ortsmuseum/Kirche. <bildlegende>: Der «Bock» ist parat für Roger Bartholdi: Der SVP-Politiker wird heute voraussichtlich zum höchsten Zürcher für das kommende Politjahr gewählt.

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