mobile Navigation

Interview

James-Co-Leiter Gregor Waller: «Die Onlinezeit hat nur minimalen Einfluss auf schulische Leistungen.» Bild: PD

«Mädchen sind auf Social Media vorsichtiger als Knaben»

Von: Sacha Beuth

06. Dezember 2016

Laut einer aktuellen Studie von der ZHAW und Swisscom verbringen Schweizer Jugendliche ­werktags zweieinhalb Stunden online – eine halbe Stunde länger als 2014. Welche Folgen dies hat, weiss ZHAW-Psychologe Gregor Waller.

In welchen Bereichen ist der ­Onlinekonsum besonders stark ­gestiegen, und warum?

Gregor Waller: Der Konsum ist vor allem bei den mobilen Gerätschaften stark angestiegen. Hauptgrund ist die ebenfalls gestiegene Verbreitung des Smartphones. Es gibt heute kaum noch einen Jugendlichen in der Schweiz, der keines besitzt. Soziale Netzwerke, Streamingdienste, Youtube-Filme, ja sogar der TV-Konsum verlaufen bei den Jungen häufig über das Handy. Man hat einerseits Zugriff auf ein riesiges Repertoire, und andererseits ist die Nutzung dank den Flatrate-Angeboten der Telecomunternehmen auch finanziell tragbar. Die Folge: Die klassische SMS und das Telefonieren verlieren mehr und mehr an Bedeutung.

Wieso nutzen Jugendliche mit Migrationshintergrund das Netz häufiger als die mit Schweizer Wurzeln?

Ein Grund ist wohl, dass sie via Internet am besten und günstigsten Kontakt zur Verwandtschaft in ihrem Heimatland halten können. Das Nutzungsmuster in sozialen Netzwerken von Schweizern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist jedoch sehr ähnlich. Mit der Ausnahme, dass Schweizer häufiger Fotos, Jugend­liche mit Migrationshintergrund häufiger Videos teilen.

Gibt es in Sachen Mediennutzung bei den Geschlechtern ebenfalls Unterschiede?

Ja, sogar markante. Knaben spielen viel häufiger Videogames als Mädchen. Mädchen dagegen lesen deutlich mehr Bücher – sowohl online wie offline. Auch in sozialen Netzwerken sind Knaben aktiver beim Gamen. Zudem posten sie öfter ­Videos, teilen häufiger Musik und organisieren mehr Events. Mädchen sind vorsichtiger bei Infos, die sie auf Social Media preisgeben. Sie nutzen derartige Plattformen häufiger zum Posten von Fotos und zum Kommentieren auf Profilen von Freundinnen und Freunden.

Besteht bei der immer stärkeren Nutzung nicht die Gefahr, dass die Jungen nur noch online kommunizieren und in der Realität kaum noch soziale Kontakte pflegen?

Nein, definitiv nicht. In der James-Studie erfassen wir auch nicht mediale Aktivitäten. Dabei hat sich gezeigt, dass diese über die letzten sechs Jahre stabil geblieben sind – trotz intensiverer Mediennutzung. Social Media ist für Jugendliche eine Ergänzung, aber kein Ersatz zu realen Sozialkontakten.

Wer sich öfter auf Internetportalen bewegt, erhöht auch das Risiko, an dubiose Gestalten zu geraten. Etwa solche mit unerwünschten sexuellen Absichten. Wie gehen die Jugendlichen damit um?

Tatsächlich haben schon 34 Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Knaben derartige Erfahrungen gemacht. Zum Glück sind die meisten Jugendlichen – unter anderem dank entsprechender Aufklärung in der Schule – darauf sensibilisiert und machen dann das einzig Richtige: Sofort den Kontakt abbrechen.

Hat der gestiegene Onlinekonsum auch Auswirkungen auf die schu­lischen Leistungen der Jugend­lichen?

Nur minimal. Dieser Punkt stand 2013 im Fokus der James-Vertiefungsstudie. Dabei hat sich gezeigt, dass die Onlinezeit ein Faktor unter vielen sein kann, der die schulische Leistung negativ beeinflusst. Er spielt dann aber mehr das Zünglein an der Waage und ist meist nicht der Hauptgrund für die Leistungsprobleme. Wir empfehlen Eltern in solchen Fällen, nicht mit Verboten zu reagieren, sondern den Jugendlichen zu begleiten und bezüglich der Onlinenutzung klare Regeln zu vereinbaren und diese durchzusetzen.

Snapchat und Instagram werden gemäss Ihrer Studie von Jugend­lichen immer häufiger genutzt, während gleichzeitig Facebook an Beliebtheit einbüsst. Wie ist das zu erklären?

Das hat in erster Linie mit dem Bedürfnis der Jugendlichen nach Abgrenzung zu tun. Wenn Eltern, Tante und Onkel bei Facebook sind, dann sind Jugendliche nicht mehr unter sich. Kommt hinzu, dass Snapchat und Instagram durch ihre visuell orientierte Kommunikation Jugendliche stärker ansprechen als Erwachsene.

Die James-Studie

Die James-Studie befasst sich mit dem Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz. James steht für «Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz». Sie wird seit 2010 alle zwei Jahre von der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und der Swisscom durchgeführt.
Weitere Infos:
www.zhaw.ch/psychologie/james
www.swisscom.ch/james

Zur Person

Gregor Waller, geboren am 13. 5. 1970 in Luzern, studierte Psychologie und Kommunikationswissenschaft an der Universität Freiburg. Nach dem Studium arbeitete er unter anderem im sozialen Bereich und in einer Werbeagentur. 2004 wechselte er zur HAP (Hochschule für Angewandte Psychologie, die 2008 in die ZHAW integriert wurde). Waller ist Mitinitiator und Co-Leiter der James-Studie.

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

 

 

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare