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Bald Ordensträger: Gaudenz B. Ruf. Bild: PD

Ein Zürcher erhält einen bulgarischen Orden

Von: Marc Lettau

11. September 2013

Dem ehemaligen Diplomaten Gaudenz B. Ruf wird morgen der "Kyrill und Methodius"-Orden verliehen.

Die Republik Bulgarien verleiht dem ehemaligen Schweizer Diplomaten Gaudenz B. Ruf den höchsten Orden, den der Staat für Verdienste im Bereich von Wissenschaft, Kultur und Bildung überhaupt kennt. Rufs Verdienst: Er hat Bulgariens zeitgenössische Kunstszene wie kaum ein anderer gefördert. Er hat dabei aufgezeigt, dass Kunst den gesellschaftlichen Wandel reflektiert – reflektieren muss.

Die Schweizer Botschaft in Bulgariens Hauptstadt Sofia war nach der Wende zeitweilig ein Künstlertreffpunkt. Gaudenz B. Ruf, von 1995 bis 2000 Botschafter der Schweiz in Sofia, nutzte seine Residenz für zahlreiche Kunstausstellungen. Vor allem aber nutzte er dabei das ganze Gewicht seiner Rolle, um das bulgarische Establishment mit einer aufmüpfigen, zeitgenössischen, «neuen» bulgarischen Kunst zu konfrontieren. Ruf erkannte: «Lädt der Künstler ein, kommen nur Insider. Lädt der Botschafter ein, kommen alle.» Ruf zeigte freilich zugleich in künstlerischer Hinsicht ein sicheres Gespür: Der von ihm vorgestellte Nedko Solakov (*1957) etwa zählt heute zu den Prägendsten unter den zeitgenössischen bulgarischen Künstlern. Solakovs zweimalige Teilnahme an der Biennale von Venedig zeugt davon.

Nach dem Ende seiner Diplomatenkarriere (2005) verstärkte Ruf sein Engagement zugunsten der neuen bulgarischen Kunst stark. Weil er in dem von zum Teil schmerzhaften Transformationsprozessen geprägten Land kein nennenswertes, privates Mäzenatentum zu erkennen vermochte und weil er sich eine Kunstförderung «jenseits des Klientelismus» vorstellte, schuf Ruf einen durchaus schweizerisch geprägten Kunstpreis: einen Kunstpreis, für den sich jeder oder jede bewerben konnte, der aber gleichzeitig von einer hochqualifizierten, unabhängigen, internationalen Jury vergeben wurde. Ruf führte damit in Bulgarien den ersten Kunstpreis dieser Art ein.

Der erstmals 2007 verliehene «Gaudenz B. Ruf Award for New Bulgarian Art» stimulierte die bulgarische Kunstszene von Beginn weg. Die Aussicht, das eigene Werk überhaupt einer kundigen Jury vorlegen zu können, motivierte Hunderte zur Teilnahme. Ruf forderte die jungen Künstlerinnen und Künstler Bulgariens aber seinerseits heraus. Während der Kunstpreis zunächst den in Bulgarien lebenden Kunstschaffenden vorbehalten war, wurden später auch im Ausland lebende und wirkende Bulgarinnen und Bulgaren zugelassen. Über das Mittel der Förderung provozierte Ruf damit einen befruchtenden Wettbewerb und Austausch zwischen dem Kunstschaffen der «Einheimischen» und dem Werk der zum Teil arrivierten, selbstbewussten «Exilierten».

Warum überhaupt zeitgenössische Kunst fördern? Nach Rufs Einschätzung klammerte sich Bulgariens Kunstszene in den Jahren des Umbruchs an das gute Handwerk, an altväterische Tradition, an einen Kunstbegriff, in dem Dekoratives reichlich Raum einnimmt. Im Fokus von Rufs Interesse stand aber die Frage, welche Spuren der Umbruch hinterlässt – auch in der Kunst. Er sei dabei auf junge Bulgarinnen und Bulgaren gestossen, «die sehr eingehend reflektiert haben, was beispielsweise der entfesselte Kapitalismus zur Folge hat, von dem Bulgarien überrollt wurde» – auf politisch denkende Menschen also, die sich am Wandel und seinem Wesen rieben. Rufs Engagement diente zunächst jenen, die auf den gesellschaftlichen Wandel und die damit einhergehenden Verwerfungen als Künstlerinnen und Künstler eine Antwort gesucht haben. Ein kleines, illustratives Beispiel einer «künstlerischen Erkenntnis» lieferte etwa Kosta Tonev mit seinem Werk «Die Konstanten wandeln sich». Eine lapidare Losung. Im bulgarischem Kontext aber eine alles durchdringende, beklemmende Wahrheit: Wenn sich Konstanten wandeln, existieren keine Konstanten mehr.

Die Shortlist als Sprungbrett
In künstlerischer Hinsicht haben vor allem jene profitiert, die von der Jury jeweils auf die Shortlist gesetzt wurden und so überhaupt die Gelegenheit erhielten, sich – mit professionellen Katalogen und vielbeachteten Ausstellungen – einem breiten Publikum zu präsentieren. Darunter sind viele, die Ruf beeindruckt haben – und einige, wie etwa Borjana Ventzislavova (Sofia/Wien), Samuil Stoyanov (Dobritsch) und Pravdoliub Ivanov (Sofia), deren Entwicklung er mit Anteilnahme weiter verfolgt.

Rufs finanzielles und zeitliches Engagement zur Förderung junger bulgarischer Kunst ist unverändert gross. Gleichzeitig ist die Formel der Unterstützung im Wandel. Statt bereits geschaffene Werke auszuzeichnen, wird inzwischen der Fokus auf Beiträge zur Schaffung neuer Werke und auf Projekte zur Kunstvermittlung gelegt. Was sich damit nicht geändert hat: Das Interesse der bulgarischen Kunstschaffenden ist gross.

Ordensverleihung in Bern
Für seine Verdienste wird Ruf morgen der «Kyrill und Methodius»-Orden erster Klasse verliehen. Es ist dies die höchste Auszeichnung, die die Republik Bulgarien für Verdienste im Bereich Wissenschaft, Kultur und Bildung kennt. Den Entscheid für die Ordensverleihung hat der vormalige bulgarische Staatspräsident Georgi Parwanow gefällt. Überreicht wird der Orden in Bern – von Bulgariens Botschafterin in der Schweiz, Meglena Plugtschieva.

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