News

«Äxgüsi!»: Immer öfter blockieren stoische Gangsitzer im ÖV den Zugang zum freien Fensterplatz. Symbolbild: SB
«Sonst schaffe ichs nicht mehr zur Tür»
Von: Sacha Beuth
Im ÖV sind gerade zu Stosszeiten Sitzplätze rar. Umso mehr ärgert man sich über sogenannte Gangsitzer, die den Zugang zum freien Fensterplatz blockieren. Das «Tagblatt» ging auf die Suche nach den Gründen.
Wer hat es nicht schon erlebt? Man steigt in ein gut gefülltes Tram ein und sucht einen freien Sitzplatz. In einem 4er-Abteil ist noch einer am Fenster frei. Doch um dahin zu gelangen, muss man erst mühsam über die Beine der stoischen Gangsitzer klettern.
Genau wegen dieser Gangsitzer hat das «Tagblatt» kürzlich einige Leserbriefe erhalten, in denen sich die Schreibenden über das rücksichtslose Verhalten ihrer Mit-ÖV-Benutzer mokieren. «Wenn man diese Personen dann bittet, doch rüberzurutschen, tun sie das nur mit Murren oder man bekommt sogar ‹Schlötterli› angehängt. Und wenn man nichts sagt und mühsam über die Beine klettert, wird man ebenfalls angemotzt», enerviert sich beispielsweise «Tagblatt»-Leserin I. S.
Die VBZ wiegeln ab
Sind das alles Ausnahmefälle oder kann eine Tendenz ausgemacht werden? Glaubt man den Aussagen der VBZ, scheint Ersteres der Fall zu sein: «Wir haben keinerlei Kundenreaktionen zu diesem Thema! Wir sehen also keinen Handlungsbedarf», lässt Mediensprecherin Daniela Tobler ausrichten, fügt aber doch ergänzend hinzu: «Grundsätzlich möchten wir auch unsere Fahrgäste nicht erziehen.»
Dem Widerspruch zwischen Leserbriefen und VBZ-Kommentar wollte das «Tagblatt» auf den Grund gehen und sah und hörte sich darum selbst im ÖV um. In den untersuchten fünf Tramkompositionen traf der Autor jedes Mal sowohl auf Gangsitzer wie auf Personen, die sich darüber aufregen. «Wenn ich am Fenster sitze, schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig zur Tür», verteidigt etwa Andrea ihr Verhalten. «Ich sitze wegen meiner langen Beine am Gang. Wenn sich aber jemand neben mich setzen möchte, rutsche ich natürlich nach», sagt Claudia, die sich zuvor via Kopfhörer und Handy von der Aussenwelt abgekapselt hatte. Eine Rentnerin verweist darauf, dass ja vorher neben Ihr jemand gesessen habe. Sie habe schlicht nicht daran gedacht, nachzurücken. Für Zürcher Verhältnisse unüblich, entsteht sofort eine Diskussion im 4er-Abteil. Allgemeiner Befund: Grundsätzlich nerven Gangsitzer beziehungsweise deren egoistisches Verhalten. Einzig Martin nimmt es gelassen: «Wenn man höflich fragt, machen die meisten Platz oder rutschen nach.» Viel ärgerlicher seien diejenigen, die mit ihrer Tasche den Nebensitz blockieren. «Das sind meist die gleichen», findet Beat Z., gibt aber zu, dass er sich an heissen Tagen auch bevorzugt auf einen Gangsitz setzt, «weil es am Fenster wegen der Klimaanlage immer so zieht».
Ist der Ärger über die Gangsitzer gerechtfertigt? Schreiben Sie uns Ihre Meinung: echo@tagblattzuerich.ch
Die ersten Reaktionen lesen Sie hier
Artikel bewerten
Leserkommentare
Peter Egloff - Gangsitzen oder Einkaufstasche auf dem Sitz (speziell bei Regen) in einem Tram, wo es sonst noch genügend Platz hat finde ich OK, im vollen Tram ist es aber eher ärgerlich.
"Drängler" nerven aber auch; wenn das Tram noch mehr als genug Plätze
mehr anzeigen ... hat und es Leute gibt die darauf bestehen in einem bereits mit zwei bis drei Personen belegten 4er-Abteil (ja einer davon am Gang) sich dazuzusetzen ist das auch ziemlich nervig. Aber wie Martin sagt; für etwas hat Gott uns die Stimme gegeben und wer einen Sitz möchte braucht einfach nur nett zu fragen und ich habe noch nie gesehen, dass so etwas verweigert wurde. Aber leider bleiben viele Leute lieber verärgert stehen, als dass sie den Mund aufmachen würden. Von daher kommt auch der Mythos von den angeblich ständig vollen Fahrzeugen...
Philipp Kaufmann - Gangsitzen, naheligenden Platz für Füsse, Gepäck u.dergl. m. beschlagnahmen ist ein Ärgernis für Herrn und Frau Schüüch. Warum nicht - freundlich - seine Sozialkompetenz spielen lassen und wenn möglich grad noch ein Gespräch anfangen: Ich steige an
mehr anzeigen ... der Haltestelle XY aus - und Sie ? Wäre es da nicht einfacher etc etc ? Merke: Nichts ist nur schlecht.
Andrea Mordasini - Nicht nur die sogenannten Gangsitzer sind mühsam, auch die - vor allem Erwachsene - die andere nicht aussteigen lassen und stets vordrängeln müssen und jene, die "extra" in der speziell für Rollstühle und Kinderwagen gedachten Nische stehen müssen
! Ärgerlich sind auch die, welche "ums Verrecken" direkt beim Eingang stehen bleiben und so den anderen, die noch zusteigen müssen, den Zugang blockieren. Und nicht zuletzt nerven mich die egoistischen und arroganten gesunden Erwachsenen, denen es einfach nicht in den Sinn kommen will, bei Engpässen betagten, gehbehinderten, Kleinkindern und/oder Schwangeren ihren Sitzplatz anzubieten. Mit etwas mehr Mit- und Füreinander, mehr gegenseitiger Toleranz, Respekt, Rücksicht und Verstand wäre die Fahrt im ÖV - gerade auch zu Stosszeiten - für alle viel angenehmer!
mehr anzeigen ... und nicht ausweichen wollen, wenn ein Elternteil mit Kinderwagen zusteigen will... Als zweifache Mutter erlebte ich zu Kinderwagenzeiten ab und zu, dass Erwachsene lieber wegschauten oder gar den Eingang wechselten um mir beim Ein-/Aussteigen ja nicht helfen zu müssen... Wer mir damals übrigens sehr oft und gerne, auch ungefragt, Hilfe anbot, waren oftmals Jugendliche und junge Erwachsene, häufig mit Migrationshintergrund